Noch 230km sind es von Derby, unserer vorigen Station am nördlichen King Sound, dann empfängt uns das tiefe Blau des Indischen Ozeans an Australiens Westküste.
Wie ein einsamer Juwel in einer sonst endlosen Einsamkeit öffnet sich die Stadt Broome (15.000 Einwohner) dem Ankommenden. In der hochsaisonalen Trockenzeit, also während des gerade herrschenden Winters, können noch einmal gut 20.000 Touristen hinzu gerechnet werden, argumentiert das städtische Tourismusmanagement. Von jeder Landeshauptstadt mindestens 2.000km entfernt, egal ob Perth, Darwin oder gar Brisbane, führt Broome ein munteres, quirliges Eigenleben. Auf den ersten Blick wirkt der Ort supermodern, der zweite legt einige historische Nischen frei wie z.B. im Museumsviertel mit dem entsprechenden Regionalmuseum.
Hier kommen wir ein erstes Mal mit dem die Stadt prägenden und beherrschenden Thema in Berührung: Broome, die Welthauptstadt der Perlen. Daneben gehen andere Themen, wie WW II oder regionale Entdecker so gut wie unter. Kein Wunder, wenn Broome rund 60% des gesamten Perlenmarktes der Welt abdeckt.
In der Innenstadt reiht sich ein Juwelier an den anderen. City und die moderne Chinatown bilden so gut wie eine Einheit. Denn die Chinesen waren (und sind) hinsichtlich des Schmuckhandels führend. Asiaten und Japaner belieferten ergänzend den Markt mit Perlentauchern. Dazu müssen die gekidnappten Aborigines addiert werden, für die Perlentauchen quasi Zwangsarbeit wurde (vgl. dazu auch vorheriges Kapitel). Wie stark die Japaner und Chinesen präsent waren, zeigt sich allein an den entsprechenden, für jede Ethnie eigens angelegten Friedhöfen.
Neben dem bereits erwähnten Museum lässt sich zusätzlich viel über die historische und moderne Perlenindustrie an zwei Orten erfahren. In der Innenstadt an der Dampier Terrace gelegen besuchen wir die „Pearls Luggers Tour“. Die sehr informative Veranstaltung rückt die Perlentauchboote und das frühere (Ende 19. Jahrhundert) Leben der Perlentaucher im angeschlossenen Museum in den Mittelpunkt. Es muss hart gewesen sein, dieses Dasein. Die engen Boote, auf den bis zu 10 Mann Besatzung oftmals mehrere Wochen ununterbrochen gemeinsam ausharren mussten, vom Kapitän über den Perlenmeister und die Taucher bis zu den Hilfskräften. Oftmals dauerte die tägliche Arbeit im Wasser bis zu 10 Stunden. Bei den Nussschalen auf hoher See waren Unglücke vorprogrammiert. Die Liste der Havarien ist lang.
Der heutigen Perlenzucht widmet sich dann eine Tour zu einer aktiven Perlenfarm. Rund 15km von Broome entfernt arbeitet die Willie Creek Pearl Farm, die einen abwechslungsreichen Besuch anbietet. Einzelne Themenstationen geben Auskunft über das Einpflanzen einer Perlenkultur in die Auster, den Reifeprozess und nach zwei bis fünf Jahren den Erntevorgang. Es bleibt nicht bei trockener Demonstration. Anschließend geht es per Boot in die eigentlichen Zuchtgewässer, den Willie Creek. Er nennt sich zwar „Bach“, ist aber eigentlich eine Bucht im salzigen Indischen Ozean. Nach vier Stunden können die Endprodukte bestaunt und gekauft werden.
Kehren wir zurück in Broomes City. Außer den beiden wundervollen Stränden, der Cable Beach und der Town Beach prägt ein breiter, dichter Mangrovenwald das Stadtbild in Citynähe. Die alte, hölzerne „Streeter’s Jetty“ ist, wenn auch stark verkürzt, noch betretbar. Neben Bootsanlegestelle diente sie im Übergang 19./20. Jahrhundert als Handelsort für die auf dem Meeresgrund gesammelten Muscheln mit Perlen. Man würde Broomes Stellenwert sicherlich überhöhen, wenn man nur dort das Geschäft mit den Perlen ansiedelte. An Australiens gesamter Nordwestspitze, insbesondere der Dampier Halbinsel, wird Perlenzucht betrieben.
In direkter Nachbarschaft zur Perlenfarm mit ihren Kostbarkeiten betreibt der Bundesstaat Westaustralien ein regionales Gefängnis. Übertriebene Angst vor Ausbruchsversuchen und Überfällen haben aber weder der Staat noch die Perlenfarm. Einerseits ist die Marschlandschaft durch den hohen Tidenunterschied öfter unter Wasser. Das wiederum lockt Krokodile an und reduziert somit die Zahl der Wachmannschaften und eventuellen Überfälle. Praktisch gedacht, kann man da nur sagen.
Als Kuriosum empfinden wir gleichfalls, dass von den weitverstreuten Stadtvierteln Broomes keines mehr als 15 Minuten vom betriebsamen Flughafen entfernt liegt, inclusive City Center. Denn das eigentliche geographische Zentrum der Stadt bildet der Airport mit allen Vorzügen und Nachteilen, die eine solche stadtzentrierte Lage mit sich bringen. Besichtigungen und Shopping mit Sicht auf ausgefahrene Triebwerke.
Entfernen wir uns von der städtischen Geschäftigkeit. Broome bietet mehr, sowohl an Natur- wie auch an Tierbeobachtungserlebnissen. Von der erwähnten Town Beach aus gibt es bei Vollmond, Vollebbe und voll sternenklarem Himmel ein Naturschauspiel der besonderen Art zu beobachten, die „Staircase to the Moon / Mondhimmelsleiter“. Jährlich acht Mal für jeweils drei Mondaufgänge kann dieses Schauspiel erlebt werden. Wir sind glückliche Gewinner der Datumslotterie. Alle drei Komponenten treffen während unseres Broome Aufenthaltes zusammen. Von der stark bevölkerten Town Beach aus können wir das Schauspiel an zwei Tagen beobachten. Der tief orangen schimmernde Vollmond hebt sich allmählich über den Horizont. Dadurch wir das vor ihm liegende Watt mit seinen Wasserpfützen immer stärker beleuchtet. Und in der Tat, nachdem der Mond vollständig über den Horizont geklettert ist, aber noch dicht auf Horizontlinie verharrt, bildet sich für den Betrachter die beschienene Fläche wie eine schmale, erleuchtete Leiter ab. Das ganze Naturschauspiel dauert rund 15 Minuten. Danach steht der Mond zu hoch und das zusammenhängende Leitergefühl geht verloren. Die Schar der Beobachter zerstreut sich. Das Klicken der Verschlüsse der Fotoapparate verstummt allmählich. Der Wirt des Strandcafés schaut zufrieden drein. Seine Extra „Staircase“-Speisekarte hat offensichtlich reichlich Zuspruch gefunden. Und so geht es dann drei Tage lang.
Wer steinerne Felsnatur erleben möchte, findet diese am Südende der Cable Beach, am Gantheaume Point mit altem Leuchtfeuer. Schroff und bizarr ragen die Felsen ins Meer hinaus. Manche kleinere Höhle hat sich im Sandstein gebildet. Drei Rock Pools, bei starkem Wellengang mit einer Wirklung wie Blowholes, schmücken die unmittelbare Felskante.
Hier draußen erfolgt dann auch der Übergang zur Broomschen Tierwelt. Fußabtritte von Dinosauerien besichtigen wir an einer Felsspitze. An dieser Stelle sind sie noch imitiert. Die Originale werden bei Ebbe weit draußen auf einem Felsplateau freigelegt. Mit Hovercraftschiffen kann man dorthin gelangen. Ein Einzelabdruck wird im o.g. Broome Museum ausgestellt.
Krokodile als Gefangenenwärter wurden bereits erwähnt. Alles, was man über Krokodile wissen muss, erfährt man im Malcolm Douglas Crocodile Park (13km außerhalb). Rund 3.000 Crocs leben auf dieser Farm, die riesigen Salties, die kleineren Freshies sowie amerikanische Alligatoren. Höhepunkt des Parkbesuches ist natürlich die Fütterung der Reptilien, besonders der immensen Salzwasserkrokodile (salties). Untereinander kennen diese Reptilien kein Pardon. Was eben noch friedlich nebeneinander zu schlummern schien, entpuppt sich unversehens in einem heftigen Kampf. Revierkämpfe und selbst Kannibalismus stehen auf deren täglichem (Über-)Lebensprogramm.
Mit Broome endet größtenteils auch die Krokodilregion. Doch eine andere wunderbare, nicht weniger gigantische Tierart nimmt ihren Platz ein: Wale. In und ab Broome haben wir die Möglichkeit für Whale Watching per Boot. Eine dreistündige Bootstour (mit und ohne sunset) garantiert Walsichtungen, sonst wird der Fahrpreis rückerstattet. Uns sind die Wale lieber. Wir werden nicht enttäuscht. Riesige Buckelwale tauchen vor unseren Augen auf und ab, schlagen mit den Flossen. Manchmal steigen die Meeresgiganten senkrecht in die Höhe. Das typische eintauchen der Walflosse fehlt dabei auch nicht. Schlicht und ergreifend, ein tolles Erlebnis!
Wir kehren noch einmal ein wenig zurück in die Kimberleywildnis. Mit „Kimberley Wild“ (www.kimberleywild.com.au ) wollen wir in einem Tagesausflug zwei der Hauptattraktionen der Kimberleyrgion besuchen: den Tunnel Creek National Park und den Windjana Gorge National Park. Es wird ein ausgesprochen langer Tag werden. Um 6.30Uhr starten wir, gegen 22.30Uhr treffen wir wieder in Broome ein. Zwischendurch liegen rund 900km gefahrene Kilometer, davon gut 400km auf dirt road, also sandigen Waschbrettpisten. Nicht umsonst wird die Strecke auch „The Kimberley Massage“ genannt. Doch die beiden Nationalparks, die angelaufen werden, sind die Mühe und das Geld wert.
Im „Tunnel Creek“ holen wir uns heftig nasse Füße. Das ist auch nicht vermeidbar, wenn wir durch die 750m lange Tunnelröhre wandern. Ausgestattet mit guten Taschenlampen stolpern wir im Dunklen über Felsengebilde und durch den teilweise tiefen Wasserlauf. Dadurch unterqueren wir die Napier Range, eine felsig steile, rund 400m hohe Gebirgskette. Am anderen Ende des Tunnels lockt dann ein seeartiger, krokodilfreier Rock Pool zum Schwimmen. Der Rückweg führt anschließend wieder nur durch den Tunnel. – Verschnaufpause!
50km weiter erfolgt eine zweite Wanderung, dieses Mal in einen Gorge hinein, den Windjana Gorge. Auch er durchschneidet die erwähnte Range. Die gesamte Gorge Rundwanderung verläuft jedoch auf 7,5km. Der schönste Teil liegt glücklicherweise auf den ersten zwei Kilometern, wenn wir uns durch die engen Felsspalten zwängen. Dieser Eingang erscheint wie das Tor zum Paradies. Einmal eingetreten umfängt uns zunächst eine himmlische Ruhe. Bis uns die Heerschar an weißen Kakadus entdeckt hat und mit ohrenbetörendem Lärm auffliegt. Dieses Geschrei stört die im Fluss treibenden Süßwasserkrokodile (freshies) überhaupt nicht. Rund 20 Tiere können wir erblicken. Mehr als 100 Exemplare sollen im gesamten Gorge Gewässer leben, erklärt uns der Ranger.
Allmählich wird es Zeit für die 350km Rückfahrt. Die Abendsonne lässt das Kimberley Outback noch einmal glutrot entflammen. So findet ein erlebnisreicher Tag schließlich sein Ende.
Der Indische Ozean ist erreicht, die Ost-West-Durchquerung des Kontinents mit der Stadt Broome abgeschlossen. Somit heißt es nun unweigerlich, den Südkurs einschlagen.