Um die Spannung der Leserschaft nicht ins Unendliche zu treiben, hier eine wichtige Information vorweg:
Die Wettervorhersage – aus dem letzten Bericht – hat ihr Versprechen gehalten, das Atlantiktief hat sich aufgelöst oder ist irgendwohin verschwunden. Wir hier jedenfalls, an Bretagnes Nordküste genießen seit einigen Tagen sommerhafte Temperaturen unter einem azurähnlichen Himmel.
Doch nun zum ASB der Bretonen:
„Aber“ lautet das erste Stichwort. Nein, Einwände machen wir nicht geltend. Dier Begriff steht für die fjordähnlichen, tief ins Landesinnere eindringende Flussmündungen, wunderschöne, grüne Landschaften. Nicht zuletzt deshalb kann man auf einer „Route des Abers“ die Landschaft erkunden, wie den Aber Idlut, den Aber Benoît oder den Aber Wrac’h, wobei der letztgenannte „Mündung der Hexe“ bedeutet.
Über die bretonischen Köstlichkeiten haben wir bereits kurz berichtet. Nun kommt eine weniger köstliche Angelegenheit mit einem herben Beigeschmack. Der kleine Ort Ploudalmézeau ist weithin unbekannt. Oder kann sich vielleicht doch noch jemand an ihn erinnern? Auf Anhieb konnten wir nicht! Erst wieder, als wir dort entlang fuhren. Nach dem Lesen einer Hinweistafel fiel es uns wie Schuppen von den Augen. Im März 1978 trafen die Auswirkungen der Havarie des Öltankers Amoco Cadiz diese nordbretonische Gemeinde als erste. Danach verseuchte der Ölteppich auf rund 300km Breite die Küste. Als Mahnmal hat man auf der Hafenmole einen halb zerbrochenen Anker des Havaristen aufgestellt. Es sollen auch bei außergewöhnlich starker Ebbe noch Reste des Schiffswracks sichtbar werden.
Berichten wir lieber über die Schönheiten dieser „Côte Sauvage / Wilde Küste“, über ihre bilderbuchhafte Schroffheit, Weitläufigkeit und Rauheit. Menschenleere Strände locken besonders bei Ebbe zu stundenlangen Wanderungen. Wer will kann sich für das Mittag oder Abendbrot allerlei Meeresgetier zusammensammeln. Die Schroffheit und Rauheit werden erst richtig bei Ebbe deutlich, wenn die unzähligen Felsen und ganze Felswelten ans Tageslicht kommen, die bei Flut
unter Wasser bleiben. Bezeichnungen wie „Rocher de L’Eléphant / Elefantenfelsen“ geben Auskunft über deren Ausmaße. Ein hervorragendes Beispiel für die Rauheit der Küste bietet das kleine Dorf Saint-Mathieu mit einer weiteren Pointe / Felsenspitze westlich von Brest. 20m unter dem Küstenwanderweg brodelt der Atlantik. Der auf der Felsspitze errichtete Leuchtturm teilt sich den engen Platz mit den Ruinen eines Klosters aus dem 15.Jh. Für wen erbaut? Klar: für Saint-Mathieu.
Wir wollen nicht verschweigen, dass die bretonische Nordwestecke auch „Côte des Légendes“ genannt wird, womit wir mal wieder bei einem unserer Lieblingsthemen wären. Optisch vorbereitet und unterstützt wird dieser Begriff nicht zuletzt durch die hohe Anzahl von Menhiren, welche hier aus den Feldern hervorragen. Und um zwei kleine Legenden kommt der Leser auch dieses Mal nicht herum, oder aber er überschlägt ganz einfach die nächsten beiden Absätze.
Einer dieser gigantischen Steinriesen, der Megalith von Kerloas dient als Fruchtbarkeitssymbol. Es heißt, dass abends junge Paare hierher kamen oder auch noch kommen. Ihre nackten Körper sollen sie an dem Stein reiben, um nicht nur viele sondern auch wunderschöne Kinder zeugen zu können. Nun, jeder mag da so seine eigene Theorie verfolgen. Wir haben es auch ohne Megalithen auf fünf Kinder gebracht, eines schöner als das andere.
Wussten sie schon, warum einige Megalithen aufrecht stehen, andere hingegen liegen? Eine fade und langweilige Erläuterung besagt, dass die Mitglieder der zweiten Gruppe im Laufe der Jahrtausende einfach umgefallen sind. Viel einleuchtender ist doch folgende Erklärung: Am hiesigen Küstenstreifen, direkt an der Wasserkante, werden immer in der Weihnachtsnacht riesige, leuchtende Schätze sichtbar, und zwar immer genau um Mitternacht vom 24. auf den 25. Dezember zwischen dem ersten und dem zwölften Glockenschlag. Das ist die Stunde der Megalithen, die vor ihrer Versteinerung ja auch einmal menschenähnliche Gestalten waren. Mit dem ersten Glockenschlag dürfen sie loslaufen, die Schätze zu bewundern. Mit dem zwölften müssen sie wieder ihren Standplatz eingenommen haben, stoisch, unbeweglich, Wind und Wetter trutzend. Wer es in dieser Zeitspanne schafft, darf aufrecht stehen bleiben. Aber Ungemach den Verblendeten, die nicht rechtzeitig an ihren Platz zurückkehren, egal ob sie sich nun nicht vom Anblick des Schatzes lösen konnten oder ganz einfach die Rahmenbedingungen für ihre temporäre Beweglichkeit verdrängt hatten – sie wurden von ihrem obersten Gott einfach umgestoßen, als Strafe für ihr schuldhaftes Verhalten. Und so liegen sie auch heute noch dort!
Gehen wir über zum zweiten Teil im Abkürzungsspiel, nämlich zu ASB:
Armorique als Teilbegriff in „Parc Natuel Régional d’Armorique“. Man beachte den kleinen aber wichtigen Unterschied in der Schreibweise zu „Amor“. Letzterer drückt sich in jedem Fall in unserer Liebe zu diesem Landstrich aus. Eigentlich kommt das Wort aber aus dem Keltischen und bedeutet „Land am Meer / ARMOR“, was nicht nur den Küstenstreifen sondern auch die vorgelagerten Inseln und die sogenannte amphibische Zone mit einschließt.
Man muss die Hafenstadt Brest nicht mögen. Sie stellt auch keine touristische Perle im langläufigen Sinn dar trotz Schloss, Oceanopolis und Hafen. Aber wenn man dort schon mal auf dem Weg an die Westküste hindurchfährt, dann raten wir doch an, nicht nur die Umgehungsstraße zu benutzen, sondern das Auto irgendwo in der Innenstadt abzustellen und die Straßenbahn zu benutzen. Sie fährt den Betrachter in knapp einer Stunde von den westlichen in die östlichen Außenbezirke, am Hafen vorbei, durch die innerstädtische Flaniermeile und Fußgängerzone bis hin zu den großen Einkaufszentren am Stadtrand. Um sich einen groben Überblick zu verschaffen, lohnt die preisgünstige Tour in den Panoramawagen.
Be Breizh bedeutet Bretagne und drückt die enge Verbundenheit der hiesigen Bevölkerung mit ihrer Region aus. Wer „Be Breizh“ ruft, wünscht dem anderen „Viel Glück und Erfolg“. Diese Heimatverbundenheit der Bretonen wird darüber hinaus deutlich durch Aufkleber oder Symbole besonders an Häusern und Autos mit der Abkürzung „BHZ“, aber auch durch das Zeigen der bretonischen schwarz-weißen Flagge „Gwen ha du“ bzw. dem Glücksbringer „Triskell“. Dabei handelt es sich um drei ineinander verwobene Schneckenfiguren, die die drei Grundelemente Wasser, Luft und Feuer symbolisieren.
Wir kommen zum Schluss noch einmal zurück auf das „A“, wie in Abschied, denn mit der Nachtfähre wechseln über nach Irland, verabschieden uns also von Frankreich und der zauberhaften Bretagne.
Also ein letztes „A Bientôt“ und bald ein erstes „See You Again“.